
DAS VERRÜCKTE, DAS UNWAHRSCHEINLICHE, DER SCHWARZE SCHWAN
In einer technologisierten, digitalen Welt scheint nahezu alles plan- und vorhersehbar, effizient aufeinander abgestimmt zu wirken. In dieser euphorischen Haltung und den daraus durchaus gegebenen Erfolgen übersehen wir jedoch, dass die beste Planung das Unvorhersehbare, das Unmögliche, Schwarze Schwäne übersieht – und das hat Folgen, wie man aktuell in der Coronakrise global erkennen muss.
Gabor Steingart, ehem. Chefredakteur und Herausgeber des Handelsblattes, schreibt, dass in den vergangenen zehn Jahren, während des Anstiegs der Digitalisierung, es zu einer spürbaren Zunahme von Freak-Events kam – sprich das Verrückte, das Unwahrscheinliche, der Schwarze Schwan durch die Zunahme der Komplexität vermehrt zum Leben erwachen kann. Dabei werden statistisch gesehen Ausbrüche von Krankheiten, wo Mensch und Tier nah aneinander leben, sogar als höchst wahrscheinlich eingestuft, sprich fallen nicht einmal unter die Kategorie Unvorhersehbar.
Nassim Nicholas Taleb – u.a. als Spezialist für komplexe Finanzderivate in mehreren Wall-Street-Unternehmen tätig, bevor er eine zweite Karriere als Wissenschaftler/Forscher in den Bereichen Statistik, Zufall und Epistemologie begann – ist der Meinung, dass viele, insbesondere EntscheidungsträgerInnen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, Opfer einer Illusion sind.
Steingart und Taleb kritisieren jedoch nicht die Unwissenheit der Menschen, sondern viel mehr die Ignoranz darüber, Risiken zu negieren. Man ignoriert die Schwarzen Schwäne, das scheinbar Unvorhersehbare, Risiken, vertraut Plänen, vertraut Algorithmen anstatt der gesamten uns alle umgebenden Natur. Von diesem Standpunkt aus werden, ob man will oder nicht, andere Entscheidungen getroffen, als wenn man Schwarze Schwäne als zum Leben und Wirtschaften dazugehörig betrachtet.
UNZUREICHENDES RISIKOMANAGEMENT
Ich weiß, das ist alles andere als das, was man in der Wirtschaft aktuell an Vorwurf, ein unzureichendes Risikomanagement installiert zu haben, hören möchte. Aber es ist ein guter Anstoß, um sich mit Risiken mit einer neuen Offenheit auseinanderzusetzen, um sich und das Unternehmen für etwaige weitere Risken besser zu schützen.
Ob ein Unternehmen bzw. Führungskräfte risikobewusst, sprich resilient gesichert mit Herausforderungen umgehen können, zeigt sich, wenn diese die Fähigkeit besitzen mit …
Volatilität
Unsicherheit
Komplexität und
Vielschichtigkeit (ambiguity)
offen, ehrlich, mit Demut gegenübertreten.
Resilienz heißt, ein klares Bild zu haben, was in der Umwelt tatsächlich abläuft, und nicht was man möchte, wie es ablaufen sollte. Das heißt, den Mut zu haben umfassend hinzusehen, und sich nicht nur fixiert von angenehmen Zielvorgaben leiten zu lassen.
Resilienz steigt, wenn man sich einer Sache widmet, die größer ist als man selbst, sprich wenn man den Narzissmus-Macht-Pegel reduziert.
Resilienz beginnt mit Selbstmitgefühl und einer guten Selbstführung. Resilienz heißt, zu wissen wer man ist, warum man das ist, weshalb man so und nicht anders agiert. Erst aus diesem Wissen bzw. einer damit verbundenen stabilen Selbstwahrnehmung heraus ist es möglich, authentisch flexibel und nicht unbewusst Angst getrieben zu handeln – was insbesondere in herausfordernden Situationen ein großes Problem ist.
Resilienz sinkt, wenn das Selbstbild und die Realität verzerrt wahrgenommen werden. Das löst Stress, innere wie auch äußere Konflikte und vor allem Fehlentscheidungen aus. Es ist nicht bloß ein Zuviel an Druck was schwächt, sondern ein verzerrtes unklares Selbst- und Umweltbild. Dieser Aspekt wird im Business jedoch meist voll ausgeblendet.
CORONA VERDEUTLICHT DIE SCHWACHSTELLEN
Corona lehrt uns, in eine neue Art der Beherrschung von Komplexität und Risiken zu investieren. Das heißt mit den Worten von Günther Koch, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Austrian Institute of Technology (AIT), heute Präsident des internationalen Thinktanks Humboldt Cosmos Multiversity:
Es muss erwartet werden, dass man sich in der Bewältigung von Komplexität und Risiken neu positioniert und qualifiziert – andersherum ausgedrückt: VereinfacherInnen und AnbieterInnen von Patentlösungen muss das Handwerk gelegt werden. Die Risiken, die weitschichtigen Verschränkungen mit den schwer zu erfassenden Folgen dürfen niemals bei all den Vereinfachungen weggelassen werden. Das rächt sich, denn irgendwann, scheinbar aus dem Nichts, taucht ein Schwarzer Schwan auf. Dann tun wir so erstaunt, sind faktisch wie auch emotional bedenklich unvorbereitet …